Eine Einkaufsfinanzierung ist quasi alternativlos

Die Deutsche Einkaufsfinanzierer GmbH verschafft Mittelständlern durch die Integration in ihre Handelskette entsprechende Einkaufsvorteile. Im Interview erklärt Geschäftsführer Thomas Auerbach unter anderem, für wen dieses Finanzierungsmodell geeignet ist. INTERVIEW JULIAN HEYER

Unternehmeredition: Herr Auerbach, Sie sind seit mehr als zehn Jahren „Einkaufsfinanzierer“. Was hat sich in dieser Zeit geändert und warum hat das Geschäftsmodell heute eine Berechtigung am Markt?

Thomas Auerbach: Das Geschäftsmodell der Einkaufsfinanzierung sieht vor, dass sich der Einkaufsfinanzierer in die Handelskette integriert und als Debitor des Lieferanten sowie als Kreditor des Kunden auf beiden Seiten Vorteile verschafft. Das Geschäftsmodell gibt es seit 2003. Seit 2008 bin ich in verschiedenen Funktionen bei Finetradern und sehe, wie sich das Geschäftsmodell verändert und weiter verändern muss. In den ersten Jahren wurde insbesondere versucht, den Markt von diesem neuen Finanzierungsprodukt zu überzeugen und Kunden zu gewinnen, Volumen aufzubauen. Es war eine Euphorie zu spüren, die letztlich darin mündete, dass zu große Risiken eingegangen wurden, was wiederum zu Forderungsausfällen führte. Klassisch sichert sich der Einkaufsfinanzierer über eine Warenkreditversicherung ab. Die Aufgabe derer ist es, die Forderungsrisiken abzusichern. Steigt die Schadensquote über ein gewisses Maß, spielt der Kreditversicherer nicht mehr mit. Die heutige Situation der Einkaufsfinanzierer ist davon geprägt, dass sich die Kreditversicherer verhalten zu dem Geschäftsmodell äußern. Ihre Aufgabe ist es, die Risiken durch Optimierung der Prozesse, des Monitorings und der Anforderungen gegenüber den Kunden zu senken.

Welche Auswirkungen hat die Veränderung der Einkaufsfinanzierung kundenseitig? Auf der Kundenseite wird es – gerade im Hinblick auf den sich verändernden Markt – zunehmend schwieriger werden, an Finanzierungen zu kommen. Daher wird es insbesondere im kurzfristigen Bereich einen wachsenden Bedarf an alternativen Finanzierungsinstrumenten geben – und somit ganz sicher auch an Einkaufsfinanzierung. Das Modell ist intelligent, weil es Handelsvorteile und Finanzierungseffekte in einem Produkt vereint und die Kosten zwischen den Parteien teilt; im Idealfall werden diese vom Lieferanten durch das Zugeständnis von Skonti und Rabatten getragen.

Was schauen Sie sich genau im Unternehmen an? Es gibt einen gewissen Standard, den wir erfüllen müssen. Das ist die klassische Bonitätsprüfung auf Basis der betriebswirtschaftlichen Unterlagen. Darüber hinaus ist es uns wichtig, dass wir unseren Geschäftspartner und sein Geschäftsmodell kennenlernen. Daher sind wir regelmäßig vor Ort. Wir wollen die Wertschöpfungskette verstehen und die Risiken „neben der Bilanz“ bewerten. Ich selbst habe viele Erfahrungen mit Audits beziehungsweise der Iso-Zertifizierung. Deshalb meine ich, einen besonderen Blick auf die Wertschöpfung, das Warenlager, die Produktion et cetera zu haben. Viele weitere Fragen klären sich dann im persönlichen Gespräch mit den Geschäftsführern.

Welche anderen Erkenntnisse eröffnet so ein prüfender Blick vor Ort? Wir erkennen durch unsere detaillierte Prüfung nicht nur die Risiken, sondern natürlich auch die Chancen. Und diese sind uns noch viel wichtiger. Wir betrachten Management uns als lösungsorientierte „Enabler“ und versuchen, Geschäfte möglich zu machen, wenn die Rahmenbedingungen es zulassen. Ich bin ein Freund der Digitalisierung, wo sie sinnvoll ist. Ich stehe aber stets für den persönlichen Kontakt sowie den offenen Dialog und möchte für unsere Kunden der greifbare Geschäftspartner sein. Ein „OnlineFinetrading“ ist für uns keine Alternative.

Wir betrachten uns als lösungsorientierte „Enabler“ und versuchen, Geschäfte möglich zu machen, wenn die Rahmenbedingungen es zulassen. Ich bin ein Freund der Digitalisierung, wo sie sinnvoll ist.

Wo liegt der Nutzen für die Parteien? Neben dem Liquiditätseffekt, den sowohl Kunde wie auch Lieferant verspüren, hat der Kunde den Vorteil, durch die schnelle Zahlung Einkaufsvorteile zu erhalten, die er ohne den Einsatz nicht generieren könnte. Somit kann auf der Kundenseite ein sehr günstiger Finanzierungseffekt erzielt werden. Der Sofortzahler wird seinem Lieferanten gegenüber natürlich immer besser dastehen. Auf der Lieferantenseite freut man sich über den schnellen Zahlungseingang. Der Lieferant hat das Delkredererisiko an den Einkaufsfinanzierer übertragen. Der Endabnehmer hat eine gesicherte Finanzierung seiner Lieferkette und wird das Modell ebenfalls unterstützen.

Wie treten Sie als Einkaufsfinanzierer in diesem Zusammenspiel auf? Im Endeffekt verhandeln wir ausschließlich mit unserem Kunden. Die anderen Parteien (Lieferant und Endabnehmer) führen den Dialog nach wie vor mit unserem Kunden. Erst in der Umsetzung sind wir Zahler des Lieferanten und erhalten von diesem im Vorfeld die entsprechenden Unterlagen, um den Kaufvertrag wirksam werden zu lassen und die Lieferung bestätigt zu sehen. Gerade bei Restrukturierungsfällen sieht die Bonität schlecht aus. Solche Unternehmen würden Sie genauer anschauen, als es der Kreditversicherer tut? Für den Kreditversicherer ist der Restrukturierungsfall erst einmal nicht interessant. Er stellt standardmäßig auf die Bonität des Unternehmens ab. Wir prüfen in diesem Fall darüber hinaus die Abnehmersituation: Wie sehen die Verträge zwischen Kunden und Abnehmer aus, wie solvent ist der Abnehmer, der für uns Garant der Zahlung ist? Wird dieses Zusammenspiel als sicher bewertet und können wir gewährleisten, dass die Zahlung über den Endabnehmer in der Form geleistet wird, dass wir am Ende befriedigt sind, ist das Projekt für uns interessant. Das sind üblicherweise B2B-Geschäfte. Im B2C-Bereich müssten andere werthaltige Sicherheiten beigebracht werden. Letztlich wollen wir im Vorfeld keinen Ausschluss treffen, sondern die Situation im Einzelnen bewerten.

Wie schätzen Sie die Entwicklung der nächsten Jahre für die Einkaufsfinanzierung ein? Aufgrund der Gesamtentwicklung wird der Mittelstand in den nächsten Jahren an Stabilität verlieren. Das wird sich sowohl auf die Insolvenzquote auswirken wie auch auf die Zeichnungsquote der Kreditversicherer. Alternative Finanzierungsinstrumente haben eine große Chance, sich auch in diesem Umfeld zu behaupten; allerdings müssen die Prozesse vollständig, konsequent und nachhaltig „from Order to Cash“ überwacht werden, und es geht um Transparenz, um mehr Sicherheit zu gewinnen. Ich sehe den Unternehmer in der Pflicht, bei den angekündigten Veränderungen, sich frühzeitig um einen gesunden Finanzierungsmix zu bemühen. Eine Einkaufsfinanzierung ist quasi alternativlos und sollte immer vorgehalten werden, um die Bankenlinien nicht bis zum Limit zu strapazieren und stets kurzfristige Entscheidungen im Einkauf treffen zu können. Meine Kollegen und ich sind beinahe immer greifbar und geben gerne Auskunft und Informationen.
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ZUR PERSON
Thomas Auerbach studierte Rechtswissenschaften und startete seine Laufbahn bei einer Tochter des Otto-Konzerns. Dort war er neben dem Handelsgeschäft auch für die Iso-Zertifizierung zuständig. Im Jahr 2008 wechselte er zur WCF Finetrading und arbeitete dort bis 2014. Danach gründete er zusammen mit Thomas Vinnen von Nord Leasing die Deutsche Einkaufsfinanzierer GmbH, für die er heute als geschäftsführender Gesellschafter auftritt www.einkaufsfinanzierer.com

Quelle: Unternehmeredition 03/2019: 54-55
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